Experimentalpanzer Nummer 1:

 

 

Nach dem Ende des ersten Weltkrieges erwarb Japan eine Anzahl moderner Panzerfahrzeuge, um sich über diese neue Technologie zu informieren und auch, um Werbung für dieses neue Kampfmittel bei der eigenen Generalität zu machen. 1925 wurde dann vom Generalstab eine Initiative zur Modernisierung der Armee begonnen. Neben einer Erhöhung der Mobilität von Infanterie und Artillerie umfasste das Konzept auch die Erprobung und Einführung von Panzerfahrzeugen für eine zu schaffende Panzertruppe, die die Infanterie auf dem Gefechtsfeld unterstützen sollte. Zu diesem Zeitpunkt existierte in Japan keine größere Automobilindustrie, von einer militärischen Fahrzeugindustrie gar nicht zu reden. Viele Mitglieder des Generalstabs waren daher skeptisch, als die Sektion Fahrzeuge der Technischen Abteilung der Armee die Entwicklung eines eigenen Panzers vorschlug. So entschloss man sich auch zunächst, europäische Panzer als Grundausstattung zu erwerben und auf Eigenkonstruktionen zu verzichten.

 

Eine vierköpfige Entwicklergruppe der Sektion Fahrzeuge protestierte offiziell dagegen, da sie sich sehr wohl in der Lage sahen, binnen eines Jahres ein Fahrzeug zu entwickeln. Unterstützt von General Suzuki, dem Chef der Technischen Abteilung, konnten sie den Generalstab überzeugen, den Versuch zu wagen. Da die Armee weiterhin ein leichtes Panzermodell in Europa zu erwerben suchte, konzentrierte man sich in der Entwicklung eines Technologieprojektes in Form eines mittleren Durchbruchpanzers mit mehreren Türmen, wie es dem Trend in den anderen panzerbauenden Nationen entsprach. Man wollte beweisen, dass man konkurrenzfähige Modelle schaffen konnte.

 

Zunächst entstanden allgemeine Spezifikationen, die der Panzer erfüllen sollte:

    - Die Geländegängigkeit sollte auch bei schwerem Gelände gut sein

    - Zur Verbesserung der Kampfstärke sollte die Bewaffnung so angeordnet sein, dass eine Feuerzusammenfassung in alle

      Richtungen möglich ist. Zur Zerstörung gut ausgebauter Feldstellungen sollte das Kaliber der Kanone nicht unter 57 mm

      liegen.

    - Die Panzerung sollte den zu dieser Zeit vorhandenen 37 mm Pak auch auf geringe Entfernung widerstehen.

    - Um in mobilen Verbänden mit der Infanterie zusammenarbeiten zu können, sollte die Straßengeschwindigkeit 25 km/h

      betragen (die LKW dieser Zeit schafften 24 km/h). Fahrwerk und Lenkung sollten vor allem an die Anforderungen der

      Geländefahrt angepasst werden

    - Die Grabenüberschreitfähigkeit sollte bei 2500 mm , die maximal überwindbare Steigung bei 43° liegen

    - Die Besatzung sollte 5 Mann betragen.

    - Die Ausmaße sollten an die Transportfähigkeit der Eisenbahn angepasst sein.

    - Der Fahrer sollte den Panzer allein kontrollieren/fahren können

    - Die Einsatzdauer bei mittlerem Gelände sollte mindestens 10 Stunden betragen

    - Das Gewicht sollte 15 t nicht überschreiten

 

Das Ganze war nach Vorgabe des Generalstabs in 21 Monaten zum Prototyp zu bringen. So begannen im Juni 1925 mehrere Entwicklungsgruppen parallel die notwendigen Baugruppen zu planen, testen und miteinander zu kombinieren. Anfang 1926 trat man an das Osaka Armeearsenal heran wegen der Fertigung des Prototyps. Trotz langjähriger Erfahrung und Tradition in Artillerieentwicklung und -bau waren die Kapazitäten des Arsenals nicht ausreichend. So trat man zusätzlich an verschiedene Firmen in der Nachbarschaft heran, darunter auch Schiffbaufirmen, die über Erfahrung im Bau von und Umgang mit Panzerplatten hatten. Diese Erfahrungen konnten gut beim Bau des Panzergehäuses eingesetzt werden, was den Bau erleichterte. Auf der anderen Seite erhöhte das aber den nötigen Kontrollaufwand und erschwerte die Koordination der einzelnen Entwicklungsgruppen. Dies alles machte es schwer, innerhalb des gesetzten Zeitrahmens zu bleiben.

 

Im Februar 1927 konnte schließlich der Prototyp fertig gestellt werden. Da es Probleme mit der Produktion der Panzerstahlplatten gegeben hatte, war das Fahrzeug zunächst nur mit Weichstahlplatten ausgestattet. Es folgte eine Phase intensiver Tests, während der immer wieder Probleme im Zusammenwirken der Baugruppen auftraten. Trotzdem waren die auftretenden Probleme wesentlich geringer, als vom Entwicklungsbüro erwartet.

 

 

Das Fahrzeug war mit gut 6000 mm Lände , 2400 mm Breite und 2800 mm Höhe sehr kompakt geworden. An Bug und Heck war in Fahrzeugmitte je ein Turm mit Maschinengewehr angeordnet. So konnte je ein MG und die Kanone nach vorn oder hinten wirken, während zu den Seiten sogar beide MG neben der Kanone eingesetzt werden konnten. Der Fahrer saß vorn rechts neben dem Bugschützen. Auf dem Kampfraum war ein konischer Turm mit 57 mm Kanone montiert. Zur besseren Übersicht stand dem Kommandanten, der auch Ladeschütze war, eine 350 mm hohe, drehbare Beobachtungskuppel rechts auf dem Turmheck zur Verfügung. Abgetrennt durch ein Schott war hinter dem Turm ein neu entwickeltet 8-Zylinder 140 PS Benzinmotor in Längsrichtung eingebaut.  Durch ein Schott war der Motorraum vom Kampfraum aus zugänglich. Zugleich konnte so auch der hintere Turm vom vorderen Kampfraum aus erreicht werden. Mit einem Gewicht von 18 t lag das Fahrzeug deutlich über der Spezifikation, was aber im Hinblick auf das Gesamtkonzept akzeptiert wurde.

Die Panzerung bestand aus genieteten Stahlplatten von 17 mm Stärke an den am meisten gefährdeten Stellen. Diese waren auf einen Rahmen genietet, der die Gesamtstabilität gewährleistete. In den oberen Bereichen des Panzers waren die Platten teilweise gewinkelt angeordnet, ebenso an Bug. Der Zugang erfolgte über eine Klappe in der Mitte der Bugpanzerung. Das Laufwerk bestand jeweils aus 19 kleinen Laufrädern, die immer paarweise zusammengefasst waren bis auf das hinterste Rad. Das vorderste Paar und das hintere Rad waren einzeln gefedert und schräg angeordnet, um die Geländegängigkeit zu erhöhen. Die acht mittleren Laufradpaare waren jeweils wiederum paarweise über je zwei Pakete Blattfedern parallelogrammartig miteinander verbunden. So konnte das Gewicht sehr gleichmäßig über die Kettenauflagelänge verteilt werden. Die kam sowohl der Geländegängigkeit als auch der Geschwindigkeit zu gute. Der  Antrieb erfolgte über das hintere Treibrad, vorn war ein mittelgroßes Spannrad eingesetzt. Sechs Stützrollen vervollständigten das Laufwerk. Zum Schutz der Federpakete war im oberen Bereich des Laufwerks ein einfach gewinkelter Querträger mit daran befestigten Panzerplatten montiert. Die vier mittleren Stützrollen waren zur besseren Stabilisierung ebenfalls mit einer Querverstrebung fixiert. Zusätzlich zu der vorhandenen Laufwerkspanzerung gab es Versuche, zusätzliche Schürzen an und auf den Laufwerken zu montieren. Aus Gewichtsgründen wurde dies fallen gelassen.

 

 

Im Juni 1927 erfolgte auf dem Fuji Testgelände die offizielle Präsentation des Experimentalpanzer Nummer 1 genannten Fahrzeugs. Zur Überraschung einiger anwesender Mitglieder des Generalstabs verlief der Test ohne Probleme und der Panzer zeigte eine hervorragende Geländegängigkeit.

 

Da es darüber hinaus Probleme mit dem Kauf von Panzern in Europa gab, entschloss sich der Generalstab, aufgrund der hervorragenden Ergebnisse die  zukünftige Panzerentwicklung in Japan erfolgen zu lassen und nur noch Fahrzeuge zur Technologiedemonstration und -weiterentwicklung zu erwerben. Umgehend wurden Spezifikationen für einen zweiten Kampfpanzer entwickelt, der schließlich in modifizierter Version als Typ 89 Panzer in Serie ging. Der Experimentalpanzer Nummer 1 diente in den folgenden Jahren als Technologietestfahrzeug unter anderem für schwere Mehrturmkampffahrzeuge und wurde so ständig weiterentwickelt.

 

Daten:

 

Hersteller:

Osaka Rikugun Zoheisho

gebaute Fahrzeuge:

1

Kampfgewicht: 

18 t

Bodendruck:

n.b.

Besatzung:

5 Mann

maximale Panzerstärke:

17 mm

Länge:

6030 mm

Breite:

2400 mm

Höhe: 

2780 mm

Kettenauflage:

n.b.

Kettenbreite:   

350 mm

Bodenfreiheit:

400 mm

watfähig bis:

n.b.

überschreitet:

2500 mm

klettert: 

1000 m

maximale Steigung:

43°

Motor:

8-Zylinder Benzinmotor 

Leistung:

140 PS

Straßengeschwindigkeit:

20 km/h

Geländegeschwindigkeit:

n.b.

Reichweite:

n.b.

Tankkapazität:

ausreichend für 10 Stunden Geländeeinsatz

Getriebe:

6 Vorwärts-, 2 Rückwärtsgänge

Leistungsgewicht:

7,78 PS/t

Bewaffnung Turm:

1 X Vickers Typ 57 mm Kanone

Bewaffnung Bug:

1 X 7,7 mm MG Vickers Typ, luftgekühlt

Bewaffnung Heck: 1 X 7,7 mm MG Vickers Typ, luftgekühlt

Munitionsvorrat:

n.b.