Japanische Panzerfahrzeuge und Panzer

 

Einführung:

 

Type 97 mittlere Panzer Chi-Ha bei der Siegesparade in Singapur Februar 1942

 

Als der Erste Weltkriegs 1914/15 im Westen immer mehr im Stellungskrieg erstarrte, begann das Militär in Frankreich und England über Möglichkeiten zum Aufbrechen der stark befestigten Frontlinien nachzudenken. So begann die Entwicklung eines Kampfgeräts, welches den zweiten Weltkrieg stark beeinflussen sollte: Der Panzer.

 

Weltweit hat die Auswertung der Kämpfe während der Kriegsjahre 1917-18 das besondere Potential des Panzers deutlich gemacht. Schnelle Weiterentwicklung führte zu relativ wirkungsvollen Typen. In nahezu allen Armeen hatte sich bis Mitte der zwanziger Jahre die Doktrin "Panzer als Unterstützung der Infanterie" durchgesetzt. Neue Antriebe und bessere Motoren führten zum Konzept eines schnellen "Kavalleriepanzers", der hauptsächlich Aufklärung und Störung der Truppenbewegungen im Hinterland nach Durchbrüchen leisten sollte.

 

Frankreich und England entwickelten daraufhin spezielle Infanterie- und Kavalleriepanzer. Infanteriepanzer waren gut gepanzert aber langsam, da sie die Infanterie bei Angriffen begleiten sollten. Hohe Geschwindigkeit war da nicht nötig. Typische Vertreter sind der französische R35 und der englische Mathilda MK 1. Ihre Bewaffnung bestand zunächst aus MG, später aus kurzrohrigen Panzerkanonen.

Kavalleriepanzer waren leicht gepanzert und schnell. Sie  waren später auch zum Kampf Panzer gegen Panzer gedacht und dann mit panzerbrechenden Kanonen ausgestattet. Beispiele sind der französische R38/39 und der englische Cruiser A10. Für die schnelle Aufklärung waren leichte Kavalleriepanzer mit MG vorgesehen wie der H 35 und der Light MK VIA/B.

 

Der unbewaffnete Mark IV Panzer während einer Demonstration der japanischen Armee

 

Japan hat nach 1918 einen britischen Mark IV importiert. Das große und laute Stahlungetüm hat die Verantwortlichen in der Armee sehr beeindruckt. Anfang der zwanziger Jahre sollte eine japanische Delegation in Europa einige neuere Panzertypen zu Testzwecken einkaufen. Aus Geheimhaltungsgründen und auch, weil die Produktion neuerer Modelle in Europa aus wirtschaftlichen Gründen ins Stocken geraten war, konnten nur einige englische Renault FT17 erworben werden, die entweder mit einer 37 mm Kanone oder einem MG 8 mm bewaffnet waren. Hinzu kamen noch einige britische Whippet Panzer.

 

Japanischer Medium Mk A "Whippet" während eines Manövers.

 

Um den Anschluss zu halten begann bei der 4. Abteilung des technischen Hauptquartiers der Armee, die Entwicklung eigener Panzertypen, wobei die Panzerwaffe nie wirklich eine größere Rolle gegenüber der Marine und der Luftwaffe spielte.

Da man über keine Erfahrungen mit Panzerfahrzeugen aller Art besaß, musste nahezu jede Baugruppe neu entwickelt werden. Eine Automobilindustrie wie in Europa gab es noch nicht.  1927 konnte das erste selbst entwickelte Modell vorgestellt werden. Trotz einiger Ängste der Entwickler setzte sich der 18-t-Panzer mit der Bezeichnung "Experimentalpanzer Nummer 1" ohne Probleme in Bewegung und zeigte auch im Gelände brauchbare Ergebnisse. Insgesamt erschien das Fahrzeug den Verantwortlichen aber zu behäbig und man beschloss, keine Massenproduktion einzuleiten. Diese Entscheidung fiel vor allem auch, weil ein solches Fahrzeug zunächst nicht gebraucht wurde und auch keine finanziellen Mittel frei waren.

 

Experimentalpanzer Nr. 1 während einer Demonstration der Geländegängigkeit auf einem Hinderniskurs

 

Statt dessen begann man mit der Entwicklung eines Panzers von 10 t Gewicht, der als Experimentalpanzer Nummer 2 zur Grundlage eines zu beschaffenden mittleren Panzers werden sollte. 1927 konnte auch der moderne Vickers Mk C erworben werden. Er wurde als Technologieträger umfangreich erprobt. Der Experimentalpanzer Nummer 2 übernahm einige Lösungen vom Mk. C, wurde jedoch 1928 zugunsten eines neuen Fahrzeugs in stark überarbeiteter Form eingestellt. Dieser ging schließlich als Typ 89 Panzer in Serie.

 

Die Erfahrungen mit der chinesischen Armee, welche über keine wirksame Panzerabwehr verfügte, führte in den frühen dreißiger Jahren zu der falschen Schlussfolgerung, die Panzerung müsste nicht allzu stark sein, zumal die Panzer nicht für einen Kampf gegen Feindpanzer vorgesehen waren. Dies erwies sich 1939 im mongolisch-mandschurischen Grenzkonflikt (Nomonhan) als Fehlschluss, da die russischen Modelle BT 5 und BT 7 (die Rote Armee war der Mongolei “zu Hilfe geeilt“) mit ihren langen 45 mm Kanonen die japanischen Panzer ohne Probleme durchschlugen. Danach wurde halbherzig versucht, die Panzerung zukünftiger Modelle zu erhöhen. Schwere Kampfpanzer entstanden erst 1943, als die Gefahr einer US-Invasion der Heimat deutlich wurde. Aber da war die Rohstofflage bereits dermaßen problematisch geworden, dass die Schwerindustrie praktisch zusammenbrach und keine Serienfertigung mehr begonnen werden konnte.

 

Prototyp des 45 t schweren Typ 5 Panzer Chi-Ri von 1945

 

In den japanischen Planungen für den Pazifikkrieg spielten Panzer keine Rolle, da man mit einem amphibischen See- und Luftkrieg rechnete. Außerdem waren die Probleme mit der logistischen Unterstützung einer Panzertruppe bei den Entfernungen des pazifischen Raumes nicht zu lösen. Darüber hinaus schränkte die Natur (Dschungel, Gebirge, kleine Inseln) den Nutzen dieser Kampfeinheiten ein. So haben auch die Amerikaner nach den Erfahrungen auf Guadalcanal im Pazifik zumeist amphibische Panzer (LVTs ) oder Unterstützungspanzer für die Infanterie (Sherman POA, Sherman 105 usw.) eingesetzt. Lediglich auf den kontinentalen Schauplätzen Burma, Mandschurei sowie China war ein erfolgreichen Einsatz einer Panzerwaffe in größerem Umfang möglich.

 

japanische Typ 89 Panzer während eines Wintermanövers in der Mandschurei Mitte der dreißiger Jahre

 

Trotz allem kann man sagen, dass die japanischen Panzer sich als Infanterieunterstützung gut bewährt haben. Insbesondere die technische Robustheit und die Zuverlässigkeit waren herausragend. Bemerkenswert ist hier vor allem der frühe Einsatz von Dieselmotoren, die frühe Standardisierung großer Baugruppen und das hervorragende Fahrwerk für mittlere Fahrzeuggewichte, das mit dem Typ 97 mittlerem Panzer serienreif wurde.

 

Später wurden auch Selbstfahrlafetten geplant und teilweise eingeführt. Diese wurden entwickelt, um eine bewegliche Artillerie und eine wirksame, bewegliche Panzerabwehr gegen die eindeutig stärkeren US-Panzer zu besitzen. Sie bestanden aus den Fahrgestellen bewährter Typen, die ein umgebautes Artillerie- oder Panzerabwehrgeschütz in einem meist offenen Kampfraum aufgesetzt bekamen (analog den deutschen „Marder I-III“). Übermäßig erfolgreich waren sie als Panzerjäger im allgemeinen nicht, wohl aber als Kampfunterstützungsfahrzeuge.

Einer der größten Fehler der japanischen Militärs war es, veraltete Typen weiter zu produzieren, obwohl neue, bessere Panzer entwickelt und  auch schon in Produktion waren. Dies geschah vor allem auf Druck der Infanteriekommandeure, die auf ihre gewohnten Panzer nicht verzichten wollten.

 

Typ 95 Leichte Panzer in Malaya (heute Malaysia) 1941/42

 

Insgesamt hat Japan vor 1940 2025 und zwischen 1940 und 1945 noch einmal 4424 Panzer und Panzerfahrzeuge aller Typen gebaut (allein Mitsubishi produzierte 3300 davon). Letzteres entspricht dem Ausstoß der italienischen Panzerindustrie im zweiten Weltkrieg. Für eine Industrienation wie Japan war diese Menge äußerst gering ( USA produzierte allein 1943 ca. 29500 Panzer, Japan 750) und zeigt, wie wenig diese Waffe den Militärs bedeutete, aber auch wie schwach Japan kriegswirtschaftlich wirklich war.

 

Man darf die Qualität der Fahrzeuge nicht unterschätzen. So hatte Japan bereits 1934 einen Dieselmotor für Panzer eingesetzt, zu einer Zeit, in der in keiner anderen Armee Diesel getriebene Panzer vorhanden waren. Darüber hinaus waren die Panzer sehr viel zuverlässiger und robuster als die meisten Modelle der dreißiger Jahre. Man kann sogar sagen, dass sie technisch (nicht waffen- oder panzerungstechnisch) dem amerikanischen M4, dem Hauptgegner im Pazifik, leicht überlegen waren.

Eine interessante Rolle bei dem Japanern spielten Kettenfahrzeuge, die für Spezialaufgaben verwendet wurden, wie zum Beispiel dem  Aufbau von Telegraphieverbindungen und im Bereich chemische Kriegsführung. Auch bedingt ozeantaugliche amphibische Schwimmpanzer sind ursprünglich eine japanische Entwicklung, die jedoch im Krieg keine größere Rolle gespielt haben. 1945 wurden schließlich Mehrstoffmotoren entwickelt und sollten in den letzten Panzermodellen eingesetzt werden.

 

Einheiten der in Japan stationierten 4. Panzerdivision während einer Ehrenzeremonie Ende 1944

 

Organisatorisch waren die Panzer zumeist in Brigaden oder Regimentern den einzelnen Armeen zugeteilt. Jede Infanteriedivision erhielt je nach Kampfauftrag Kompanien oder Regimenter zur Unterstützung unterstellt. Damit entsprach die japanische Panzertaktik durchaus internationalem Standard, jedoch entsprach die Fahrzeugstärke eines Regiments eher dem einer deutschen Panzerabteilung. Frankreich und England hatten ihre Panzerregimenter bis zur Niederlage Frankreichs ähnlich eingesetzt. Man darf in diesem Zusammenhang nie vergessen, dass die Taktik der zusammengefassten Waffengattungen mit einer autonomen Panzerwaffe, wie sie im Blitzkrieg angewandt wurde, eine Entwicklung Guderians aus den späten dreißiger Jahren war. Das Japan diese Taktik verspätet und auch nur teilweise übernommen hat, lag zum einen an der Beschaffenheit des pazifischen Kriegsschauplatzes (siehe oben) und zum zweiten an einer sehr konservativen Armeeführung.

 

Ausgehend von der europäischen Panzerdoktrin entstanden Tanketten, leichte Kavalleriefahrzeuge und Infanteriepanzer. Die Nomenklatur erscheint auf den ersten Blick unverständlich, ist aber nicht komplizierter als die Englische. „Panzer“ besaß nur die Infanterie, während die Kavallerie nur "gepanzerte Kettenfahrzeuge", später Tanketten, haben durfte.

 

Auf Luzon/Philippinen liegen gebliebene japanische Tankette, bemerkenswert ist die geringe Größe in Verhältnis zum amerikanischen Soldaten

 

Die einzelnen Fahrzeugtypen waren nach dem Jahr ihrer Einführung bezeichnet. Die Fahrzeuge erhielten als Bezeichnung oft eine Abkürzung, die das geplanten Einsatzspektrum wiedergab.

Ab etwa 1935 gab für jeden Panzerkampfwagen ein zweiteiliges Ideogramm als zusätzliche Bezeichnung. Der erste Teil beschreibt die Klassifizierung:

 

Kei sōkōsha   leichter Panzerwagen (Tankette)

bis 5 t Einsatzgewicht

Ke  (von Kei = Leicht)   leichter Kampfpanzer

5 t bis 10 t Einsatzgewicht

Chi (von Chu = Mittel)   mittlerer Kampfpanzer, später nur noch Kampfpanzer

10 t bis 20 t, ab 1943 ohne oberes Limit

Ju (= schwer)   schwerer Kampfpanzer

bis 1943, über 20 t Einsatzgewicht

Ka    amphibischer Panzer (genutzt ausschließlich bei der Marine), Herkunft ist ungeklärt  
Ho (= Geschütz) Selbstfahrlafette für den Einsatz bei der Panzertruppe
 

     

Der zweite Teil des Ideogramms dient der genauen Bezeichnung des Fahrzeuges.  Er ist nichts weiter als eine Durchnummerierung gemäß der Reihenfolge des Projektbeginns nach den Buchstaben des japanischen Alphabets.

I(Yi), Ro, Ha, Ni, Ho, He, To, Chi, Ri, Nu, Ru, ....

 

Eine Ausnahme bildeten die Selbstfahrlafetten für den Einsatz bei der Infanterie. Diese erhielten ein zweiteiliges Ideogramm bestehend aus dem Kaliber der montierten Waffe in cm und der Silbe To (von Tosai = Trägerfahrzeug)

 

Experimentalmodelle und auch Projekte wurden in die chronologische Nummerierung einbezogen, so dass nicht alle Kombinationen tatsächlich bei der Truppe erschienen.  Spezialfahrzeuge wurden weiterhin nur mit der Abkürzung des Einsatzspektrums versehen. Darüber hinaus haben sich manchmal werksseitige Bezeichnungen durchgesetzt. Auch grundlegende Modifizierungen einzelner Typen wurden nach Durchführung zusätzlich im Namen vermerkt.

 

Die japanische Marine nutzte für ihre Marineinfanterieeinheiten neben den speziellen Schwimmpanzern auch einige Standard-Einsatzmodelle der Armee. Ab 1943 wurden einige dieser Fahrzeuge auf Nahunterstützungswaffen größeren Kalibers umgerüstet.