Fliegerabwehrwaffen

 

Typ 99 8,8 cm Flugabwehrkanone:

 

九九式八糎高射砲

Kuku shiki hachi senchi hachi Kōshahō

 

 

 

Ende 1937 konnten die Kaiserlich Japanischen Truppen bei den Gefechten um Nanking mehrere, im Rahmen der Militärhilfe aus Deutschland an China gelieferte 8,8-cm-Schnelladekanone C/30 der Kriegsmarine erbeuten. Erste Tests ergaben, dass die Waffe der Typ 88 7,5 cm Feld-Flugabwehrkanone und der Typ Taishō 14 10 cm Flugabwehrkanone zum Teil deutlich überlegen war. Nach dem Rückruf der deutschen Militär-Unterstützungsmission aus China 1938 war der Weg frei für einen Nachbau der C/30 durch das Arsenal Osaka, welcher im Rahmen des Dreimächtepakts, aber ohne Lizenz, erfolgte. Die Arbeiten begannen 1939 und endeten mit der offiziellen Einführung Mitte 1941.

 

Die Waffe wurde ohne große Änderungen übernommen. Eine eigene, längere Version des Schutzschildes wurde entwickelt, die jedoch knapp 725 kg mehr als das Original wog. Zudem wurde die Richtgeräte am Geschütz auf japanische Modelle umgestellt. Da die Waffe auf einem Konzept aus dem Ersten Weltkrieg beruhte, war die Herstellung ohne Spezialgeräte relativ einfach möglich. Ein Problem war und blieb, dass das Kaliber bei den japanischen Streitkräften vorher nicht verwendet wurde. Dies machte eine eigene Munitionslogistik und eigene Geschossentwicklung erforderlich, da man nicht von Lieferungen aus Deutschland abhängig sein wollte. Als Munition kamen in der Erprobungsphase zunächst in China erbeutete Bestände zum Einsatz. Zudem wurde in geringem Umfang Munition in Deutschland erworben. 1940 konnte schließlich mit der Einführung der Typ 100 Sprenggranate eine eigene Munitionsherstellung beginnen.

 

Waffe mit Schutzschild

 

Das Geschütz besteht aus drei Teilen:

Das Rohr mit Verschluss wog 1250 kg und hatte eine Länge von 3,96 m (L/45). Es besaß einen nach oben öffnenden Keilverschluss. Die Bauweise des Rohres war zunächst zweiteilig (Mantel- und Seelenrohr).

Die Oberlafette bestand aus dem vertikal beweglichen Oberteil mit federhydraulischer Rohrbremse und Vorholer oberhalb der Rohrbefestigung und dem horizontal drehbaren Unterteil mit den Richtmechaniken. Die beiden Teile waren über zwei vertikale Drehzapfen miteinander verbunden. Der untere Teil der Lafette waren auf einem Mittelpivot montiert. Dies ermöglichte einen Höhenrichtbereich von −11° bis 80° und einen Seitenrichtbereich von 360°. Die Seitenrichtung erfolgte grob durch die Bedienmannschaft, wobei der Feinrichtmechanismus ausgekoppelt wurde. Die Feinrichtung nach Höhe und Seite erfolgte über Handräder rechts und links am unteren Teil der Oberlafette. Für die Richtschützen waren Metallsitzschalen vorgesehen. Ein hinten offener Schutzschild aus Panzerstahl konnte vorn an der Oberlafette befestigt werden.

Der Einsatz war nur in ortsfesten Stellungen möglich. Eine eigene Babette oder Holme an der Unterlafette waren nicht vorgesehen. Der Transport erfolgte in demontiertem Zustand durch Lastkraftwagen oder auf geeigneten Anhängern wie dem Typ 94 1,5t-Anhänger und dem Typ 94 3t-Anhänger. Vor dem eigentlichen Instellunggehen der Waffe waren Erd- und Betongussarbeiten nötig. Dann wurde mit einem Hilfskran der Pivot auf der erstellten Betonunterlage abgesetzt und verschraubt. Der Rest der Waffe konnte dann mit dem Kran darauf aufgebaut werden. Zuletzt wurde der Schild an der Oberlafette fest verschraubt. Für kurzfristig zu nutzende Ausweichpositionen gab es auch die Möglichkeit, eine Babette aus Holz anzufertigen. Die Haltbarkeit war jedoch deutlich geringer als bei Beton.

Im Laufe des Krieges gab es auch Bestrebungen, die Geschütze mittels frei verlegbarer Babetten aus Stahl beweglicher zu machen. Da der nötige Aufwand für den Stellungsbau hinsichtlich des nötigen Geräts aber nur unwesentlich geringer war, wurden die entsprechenden Versuche schließlich aus Materialmangel beendet.

 

Geschütz in der Fabrik kurz vor Fertigstellung

 

Als Munition kam das Typ 100 8 cm Sprengeschoss zum Einsatz. 1944 wurde noch eine Panzergranate für den zu erwartenden Erdkampf bei einer möglichen, alliierten Invasion entwickelt, aber nicht mehr eingeführt.

Die Munition wurde zweiteilig angeliefert (Geschoss und Kartusche mit Treibladung). Im Einsatz wurde die nötige Bereitschaftsmunition aus den beiden Teilen zusammengesetzt und neben den Geschützen bereit gelegt. Die horizontale Maximalschussweite lag bei 15700 m. In der Flugabwehr wurde mit voreingestellten Zeitzündern geschossen. Die maximale Schusshöhe lag bei etwa 10400 m.


Die Produktion begann Ende 1941 und endete erst bei Kriegsende im August 1945. Genaue Zahlen sind unbekannt, aber auf Grundlage der bei Kriegsende aufgefundenen Dokumenten ist von mindestens 500 hergestellten Geschützen auszugehen. Japanische Quellen mutmaßen eine Produktion von bis zu 1000 Stück. 1942 wurde aus Ersparnis- und Handhabungsgründen ein einteiliges Rohr eingeführt und das Schild in der Produktion weggelassen.

 

Waffe in betonierter Stellung mit Ständerwerk für den Schild

 

Eingesetzt wurde die Typ 99 8-cm-Flugabwehrkanone fast ausschließlich bei den Luftabwehr-Regimentern der Heimatverteidigung in Ergänzung zu den Typ Taishō 11 7,5 cm-, den Typ Taishō 14 10 cm- und den Typ 88 7,5 cm Feld-Flugabwehrgeschützen. Organisatorisch entsprachen die Einheiten der Flugabwehr denen der Artillerie mit Batterien zu 4 Geschützen und drei oder vier Batterien je Abteilung. Es wurde angestrebt, zumindest auf Abteilungsebene gleiche Geschütze im Einsatz zu haben. Dies gelang ab Mitte des Krieges auf Basis des hohen Bedarfs an Flugabwehrwaffen und den relativ geringen Beständen nur noch selten, so dass die Geschütze batterieweise unterschiedlich sein konnten. In der Festungsartillerie wurden von vornherein gemischte Einheiten eingesetzt. Diese konnten im Umfang je nach Festungsgröße und Bedeutung zwischen einer Batterie und mehreren Abteilungen groß sein.

Die effektive Schusshöhe lag immer noch unter der normalen Flughöhe des US-amerikanischen B-29-Bombers. Jedoch war die maximale Schusshöhe ausreichend, um in den meisten Fällen zumindest kurzzeitig Sperrfeuer schießen zu können und so den Anflug zu stören. Dies reichte allerdings nicht aus, um die Angriffe nachhaltig zu behindern. Gegen Bomber in mittlerer und niedriger Höhe war die Waffe trotz allem effektiver als die meisten anderen zur Verfügung stehenden Geschütze.

 

beschädigte Waffe mit maximalem Rohrrücklauf

 

1943 wurde mit der Typ 3 12 cm Flugabwehrkanone eine stärkere und wirkungsvollere Kanone geschaffen. 1944 kam noch die ebenfalls leistungsstärkere Typ 4 7,5 cm Flugabwehrkanone und 1945 schließlich die Typ 5 15 cm Flugabwehrkanone in die Fertigung und ergänzten die Typ 99 8-cm-Flugabwehrkanone. Letztere blieb jedoch bis Kriegsende im Einsatz, da jedes einzelne Geschütz dringend benötigt wurde.

 

 

Daten:

 

Kaliber: 88 mm
Kaliberlänge: L/45
Länge: n. b.
Rohrlänge:  3960 mm
Gewicht: 6.500 kg mit Schild
Züge: n. b.
Zugmaße (Tiefe X Breite): n. b.
Drall: gleichförmig
Drallrichtung: rechts
Kammervolumen: n. b.
Kammerlänge: n. b.
Kammer Arbeitsdruck: n. b.
Mündungsdruck: n. b.
Rohrrücklauf: n. b.
Lebensdauer Rohr: n. b.
Schussweite: 15.700 m
Schusshöhe: 10.400 m bei 85°
Effektive Schusshöhe: n. b.
Feuergeschwindigkeit: 12 Schuss/min
Mündungsgeschwindigkeit: n. b.
Munitionszuführung: manuell einzeln

 

 

Verwendete Literatur und Internetquellen:

 

- Sayama Jirō: "Artillerie der Kaiserlich Japanischen Armee: Fliegerabwehrgeschütze", Kojinsha, Tokyo, 2010, ISBN 978-4-7698-2660-6,

Originaltext japanisch

- US War Department Technical Manual TM 9-1985–5: "Japanese Explosives Ordnance", US-Department of War, Washington D.C. 1953,

https://archive.org/details/TM9-1985-5/page/n81/mode/2up

Originaltext englisch

- 1. Heeres-Technische Abteilung: "Typ 99 8 cm Flugabwehrkanone: Handbuch (ohne Sichtgeräte)", Armeeministerium des Kaiserreichs Japan, 1941, Japanisches Zentrum für Asiatische Aufzeichnungen (JACAR) Katalognummer A0303209600

九九式八糎高射砲取扱指導ニ関スル説明書(照準具関係ヲ除ク) (archives.go.jp)

Originaltext japanisch

- 1. Heeres-Technische Abteilung: "Typ 99 8 cm Flugabwehrkanone: Provisorische Benennungsliste der Teile einer Babette", Heeresministerium des Kaiserreichs Japan, 1942, Japanisches Zentrum für Asiatische Aufzeichnungen (JACAR) Katalognummer A03032241000

九九式八糎高射砲運搬車仮細目名称表 (archives.go.jp)

Originaltext japanisch

- Shirai Akio: "Eine Studie über die japanischen Lehren aus dem Kriegsverlauf",  Fuyō Shobō Shuppan, Tokyo 2003, ISBN 978-4-8295-0327-0,

Originaltext japanisch